„Ich kann das nicht!“ Kennt ihr das?!
Eine Reaktion, eine Auffassung oder ist es vielleicht eher ein Gefühl? Oder schlichtweg das Resultat unserer Erfahrungen?
In meinem Leben ist die Begegnung mit Mathematik ein gutes Beispiel, um dieser Sache auf den Grund zu gehen. Als ich in den 80er Jahren zur Schule kam, hatte ich von der 1. Klasse an immer männliche Mathelehrer. Was das nun für das Schulsystem der 80er heißen mag, will ich gar nicht weiter ausführen. Es war zumindest so, dass der einzige Mann, der an unserer Grundschule unterrichtete, der Mathelehrer war. Er hieß Herr Schulz und war in meinen Kinderaugen uralt – mit weiß grauem Haar und sehr strengem Augen. Meine Mama erklärte mir: „Den haben sie aus der Wirtschaft geholt.“. Hui! Wirtschaft klang unheimlich hochtrabend und irre fremdartig.
Und genau so erging es mir dann auch mit den ersten Rechenversuchen. Irgendwie wollte das nicht so leicht von der Hand gehen, wie die netten kleinen Buchstaben, die sich zu schönen Geschichten formten. Zahlen erzählten mir keine Geschichte und sie wehten so staubig durch meinen Kopf, wie die Kreide von der Tafel, vor der Herr Schulz stand und regelmäßig vor meinen Augen mit seinen weißen Haaren im Kreidenebel verschwand.
Als ich meine Schwierigkeiten zu Hause erzählte, versicherte meine Mutter mir, ihr wäre es mit Mathe auch immer schwer gefallen. Und auch meine Oma erzählte Ähnliches und beruhigte mich sogar mit den Worten „ das können wir alle nicht“ Mit „Alle“ waren alle Frauen in der Familie gemeint und ich kam zu der Annahme es handele sich um einen Gendefekt oder so.
Ich frage mich, was Oppa Jupp wohl dazu gesagt hätte?
Nichts desto trotz habe ich die Grundrechenarten gelernt und mich mit einer gequälten 3-4 in der Grundschule über Wasser gehalten. Auf dem Gymnasium wurde es dann schon etwas schwieriger und auch wenn ich bedingt durch einen wohlwollenden Matheleherr in Klasse 7 drauf und dran war, das schlechte Mathe-Karma der Frauen unserer Familie zu überwinden, wechselte dann der Lehrer in Klasse 9 und es war, dem damaligen Lehrermangel Rechnung tragend Herr Kudde. Kein ausgebildeter Pädagoge, sondern- und nun haltet euch fest -„einer aus der Wirtschaft“.
Was soll ich euch sagen, es ging steil bergab mit mir und der Mathematik und als ich meinen negativen Höhepunkt in Klasse 11 erreicht hatte und an den Kurvendiskussionen gänzlich gescheitert war, traf Herr Kudde ein Abkommen mit mir. Als hoffnungslosen Fall -wie mich, würde er mir für Anwesenheit 1 Punkt geben. Die Qual hatte ein Ende, es reichte mir vollkommen und ich fühlte eine schwere Last von meinen Schultern genommen – immerhin musste ich mit Herrn Kudde auch noch den Physikunterricht überstehen. Am Ende von Klasse 11 wählte ich Mathe, Physik und Herrn Kudde ab (das ging damals noch, denn mein 1. Leistungskurs war Biologie) und konnte mich endlich den schönen Dingen zuwenden.
Später im Leben, habe ich festgestellt, dass mir Zahlen gar nicht sooo fremd sind! Irgendwann sprachen sie zu mir und ich konnte sie in Beziehung zu etwas setzen.
Ich stelle mir bis heute die Frage, ob mein Matheleben anderes verlaufen wäre, wenn es mehr Mathelehrerinnen gegeben hätte? Oder wenn die Frauen aus meiner Familie mir nicht schon früh weis gemacht hätten, meine Schwierigkeiten sind angeboren?Wie wäre es gewesen, wenn Herr Kudde mich nicht aufgegeben hätte? Davon mal abgesehen, halte ich so ein Abkommen zwischen Lehrer und Schüler für pädagogisch sehr fragwürdig. Aber er kam ja auch aus der Wirtschaft und da geht es meist nicht menschlich zu –da zählen eben Zahlen und nicht Menschen.
Um es kurz zu machen, ich habe meine Defizite von damals niemals ganz aufgeholt. Heute habe ich eine Tochter, der es auch nicht leicht fällt mit Zahlen und mathematischen Kurven umzugehen. Ich weigere mich aber strikt, an ein schlechtes Mathe-Karma zu glauben! Ich habe dafür gesorgt, dass sie nicht in dem Glauben aufwächst die Dragan-Frauen leiden unter Zahlen- Legasthenie. Außerdem gab es in Ihrem Schulleben einige pädagogisch ausgebildete Mathe-Lehrerinnen, die ich als gutes Omen ansehe.
Omen und Karma hin und her, Mathe ist nicht das Einzige was mir in diesem Leben nicht so leicht gefallen ist. Ich habe festgestellt, dass die wenigsten Meister vom Himmel gefallen sind. Bis ich einen Kopfstand beherrschte,-von dem ich auch glaubte, „Ich kann den nicht“, hat es auch 2 Jahre gedauert. Weil ich erst die Kraft, die Balance und den Mut ausbilden musste, um die Welt innerlich und äußerlich auf den Kopf zu stellen. Yoga hat mir gezeigt, dass ein „Ich kann nicht“ einem „Ich kann das“ weichen kann und was heute schwer fällt, kann morgen schon leicht sein. Letztlich kann uns kein anderer Mensch sagen, was wir können und was nicht. Auch wenn meine Oma mir damals sicherlich Trost spenden wollte, wünsche ich Euch und Euren Kindern genau die Menschen an Eurer Seite, die Euch stützen und bestärken. Ebenso eine gute und gesunde Portion Selbstbewusstsein und -einschätzung dessen, was ihr schaffen könnt.
In diesem Sinne: „Ich kann das nicht“, gibt es nicht. Lasst Euch das bloß nicht einreden! Und redet es Euch nicht selber ein!
bis bald,
Daniela